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Nie wieder gut oder Darf jetzt wirklich ein Jude der König von Bayern sein

Originalhörspiel - ein Hörspiel von Dana von Suffrin, BR 2025


München, 1950 - die Stadt ächzt noch unter Kriegstrümmern, die Not ist noch groß, aber Deutschland ist immerhin endlich erfolgreich entnazifiziert. Oder?Die Tausenden Holocaust-Überlebenden, die sich noch in München befinden, schickt man aufs Bayerische Landesentschädigungsamt in der Arcisstraße, wo sie sich um Entschädigungszahlungen oder finanzielle Hilfe für die geplante Ausreise nach Israel oder die USA bemühen. Herr über das Amt ist Philipp Auerbach (1906 in Hamburg - 1952 in München): Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte. Er selbst ist jüdischer Überlebender aus Hamburg und führt das Amt so unbürokratisch, wie es die Herausforderungen der Zeit verlangen. Auerbach gilt als einer der wichtigsten Politiker seiner Zeit und als prominentester deutscher Jude.
Doch das Blatt wendet sich bald gegen ihn: 1951 wird er Opfer eine Kampagne, angeführt von CSU-Justizminister Josef Müller, der als Rechtsanwalt während der NS-Zeit selbst an "Arisierungen" mitwirkte. Auerbach wird schließlich von ehemaligen NS-Justizbeamten angeklagt, die ihm Betrug und Veruntreuung vorwerfen. Tatsächlich arbeitete Auerbach zwar chaotisch, aber äußerst engagiert, er setzte sich nicht nur für überlebende Jüdinnen und Juden, sondern auch für "erotisch verfolgte" Frauen und verfolgte Roma ein. Dabei überschritt er gelegentlich rechtliche Kompetenzen.
Auerbach verzweifelt über die Anklage und die Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Gefängnisstrafe den NS-Geist der jungen Bundesrepublik und eine mediale Hasskampagne, so dass er sich 1952 das Leben nimmt. 1954 wird Auerbach rehabilitiert.
Der Fall Philipp Auerbach gilt heute wegen seiner Tragik als deutsche Dreyfus-Affäre und zeigt beispielhaft die politische und soziale Situation des Nachkriegs, in Auerbachs Biographie spiegelt sich die ganze Epoche, in der nichts “wieder gut“ wurde.


Dana von Suffrin, geb. 1985 in München, Schriftstellerin und Historikerin. Promotion 2017 über ein wissenschaftshistorisches Kapitel des frühen Zionismus. Romane, Erzählungen, Essays, Theatertexte und Hörspiele. Zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt Tukanpreis (2024) und Chamisso-Preis (2025). Sie lebt in München.

hoerspielTIPPs.net:
«Ein Stück über die Widersprüche der jungen Bundesrepublik – und über einen Mann, der die Nazis überlebte und doch an ihnen und der von ihnen geprägten Gesellschaft zerbrach. Dana von Suffrin widmet sich mit „Nie wieder gut oder Darf jetzt wirklich ein Jude der König von Bayern sein“ dem tragischen Schicksal des Philipp Auerbach – einer der prägnantesten Figuren der deutschen Nachkriegsgeschichte, der als jüdischer Überlebender und Staatskommissar für Verfolgte zu einer Symbolfigur des Neubeginns werden sollte – und schließlich doch als Symbol dafür steht, dass dieser Neubeginn ein sehr faules Fundament hattte.

Das Hörspiel zeichnet ein eindrucksvolles Panorama der 1950er Jahre, in denen München zwischen Trümmern und Wiederaufbau taumelt, während die moralischen Trümmer vielerorts unberührt bleiben. Ehemalige Nazis kehren zurück in Ämter und Gerichtssäle, wo sie nun – groteskerweise – über ihre einstigen Opfer richten. Auerbach, engagiert, chaotisch, aber idealistisch, wird zum Opfer einer systematischen Kampagne, die mehr über den Zustand des neuen Deutschlands sagt als über den Mann selbst.

Von Suffrin gelingt es, die Geschichte zugänglich, klug und emotional zu erzählen. Die Dialoge sind pointiert, die Inszenierung nutzt die Münchner Kulisse – vom Amt in der Arcisstraße bis zu den Salons und Hinterzimmern der Nachkriegszeit – mit einem leichten, fast kabarettistischen Unterton, der den bitteren Kern umso stärker hervortreten lässt.

Besonders eindrucksvoll ist die inhaltliche Präzision, mit der das Stück den Mechanismus zeigt, wie aus Tätern wieder Täter und aus Opfern wieder Opfer werden. Dass das alles auf realen Ereignissen beruht, macht die Erzählung umso erschütternder.

Ein gelungener, aufwühlender Ausflug in die deutsche Nachkriegsgeschichte, der aufrüttelt, ohne zu moralisieren. Von Suffrin gelingt es, den Fall Auerbach als Sinnbild einer ganzen Epoche zu zeichnen – einer Zeit, in der vieles neu werden sollte, aber so wenig wirklich „wieder gut“ wurde.»

Vorstellung im OhrCast

Ursendung: 26.09.2025

Als Download / Im Handel verfügbar seit / ab: 26.09.2025

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